Von dem polnischen Philosophen Stanislaw Brzozowski stammt der Satz: „Zukunft erkennt man nicht, man schafft sie.“ In diesem Jahr feiert das gemeinnützige BILDUNGSWERK VDV sein 30-jähriges Bestehen. Die Grundlagen für diese seit 1990 eigenständige Einrichtung wurden aber bereits wesentlich früher gelegt, nämlich in den seit den frühen 1960er Jahren existierenden Interessengruppen im VDV. Diese entwickelten sich weiter zu Arbeitskreisen, die dann ab 1969 unter dem gemeinsamen Dach des damaligen „VDV-Berufsfortbildungswerk“ koordiniert wurden. Aufgrund der aus den Teilnehmergebühren entstehenden Einnahmen war ein steuerrechtlich günstigerer Rahmen angebracht. Es gab dazu sehr intensive Diskussionen, letztlich führten dann aber die mit der Gemeinnützigkeit verbundenen Vorteile im Mai 1990 zur Gründung eines eigenständigen Vereins: dem gemeinnützigen BILDUNGSWERK VDV e.V.. Besonderer Wert wurde, so ist es im Protokoll der entscheidenden Sitzung des VDV-Bundesvorstandes festgehalten, auf die „feste Anbindung an den VDV“ gelegt. Aus diesem Grund heißt es in der Präambel der Satzung des VDV: „Ein nicht geringer Teil der Verbandsarbeit ist der Vertiefung des Fachwissens des Berufsnachwuchses und den in der Praxis stehenden Ingenieuren zugeordnet. Hierzu unterhält der Verband ein gemeinnützig anerkanntes und eigenständiges Bildungswerk.“ Und dem entsprechend ist gemäß § 2 der VDV-Satzung die Bildungsarbeit auch auf das BILDUNGSWERK VDV übertragen worden.
Der großartige Schriftsteller Victor Hugo sagte einmal:
„Die Zukunft hat viele Namen.
Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare.
Für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte.
Für die Tapferen ist sie die Chance“
Ich denke, wir sind uns heute, 30 Jahre später, einig, dass mit der Gründung des gemeinnützigen BILDUNGSWERK VDV eine Riesenchance genutzt und äußerst erfolgreich umgesetzt wurde. Das Gründungsjahr 1990 ist geprägt von zahlreichen politischen Neuerungen. Als eines der prägendsten Ereignisse ging natürlich die Deutsche Wiedervereinigung in die Geschichte ein, nachdem bereits 1989 mit dem Mauerfall das Ende des Kalten Krieges faktisch besiegelt wurde. Und so ganz abseits dieser äußerst bahnbrechenden politischen Entwicklung unseres Landes hat der VDV-Bundesvorstand damals in Bonn ganz still und leise eine bedeutende Weiterbildungseinrichtung im Vermessungswesen ins Leben gerufen. „Chapeau!“ kann man da nur sagen und zur damaligen Entscheidung gratulieren.
Wir erinnern uns auch an denkwürdige technische Entwicklungen im Gründungsjahr: so beschloss beispielsweise die National Science Foundation der USA, das Internet für kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen, wodurch es über die Universitäten hinaus öffentlich zugänglich wurde. Tim Berners-Lee entwickelte um das Jahr 1989 die Grundlagen des World Wide Web und 1990 nahm dann am CERN das erste Prototyp-System mit HTTP, HTML und der Kombination Webserver und Webbrowser den Betrieb auf. Bliebe ingenieurtechnisch gesehen aus 1990 noch der Durchstich des Eurotunnels zu erwähnen. Kein Mensch hätte damals gedacht, dass Großbritannien, jetzt trockenen Fußes durch einen Tunnel erreichbar, 30 Jahre später den Ausstieg aus der EU vollzieht. Und wer weiß, ob der Tunnel unter den heutigen Bedingungen überhaupt noch gebaut werden würde.
Für eine erfolgreiche Arbeit des BILDUNGSWERK VDV war und ist es eminent, Veränderungen in der Arbeitswelt rechtzeitig erkennen, um darauf angemessen reagieren. Und betrachtet man die Seminarthemen der vergangenen 30 Jahre, so kann man konstatieren: Kolleginnen und Kollegen: es ist Euch hervorragend gelungen!
Wer beruflich vorankommen möchte, für den zahlt sich berufliche Weiterbildung aus. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer sind der Meinung, dass Fortbildungen im Berufsleben zwingend erforderlich sind. Knapp drei Viertel gehen außerdem davon aus, dass berufliche Weiterbildung in den nächsten zehn Jahren noch an Bedeutung gewinnen wird. Dies ergab eine repräsentative Forsa-Umfrage. Und laut einer Umfrage des ILS Instituts für Lernsysteme fühlen sich 80 Prozent der Menschen mit Weiterbildungserfahrung kompetenter und selbstbewusster in ihrem Job.
Und auch auf Unternehmerseite hat das Thema Weiterbildung grundsätzlich einen großen Stellenwert: Für 90 Prozent der Unternehmen ist die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter wichtig oder sogar sehr wichtig. Und 95 Prozent der Unternehmen geben an, dass das Lernen in Schule, Ausbildung und Studium heute nicht mehr ausreicht und durch Phasen der regelmäßigen Weiterbildung im Arbeitsalltag ergänzt werden muss.
Klingt soweit eigentlich alles ganz toll und zeigt hervorragende Perspektiven für Weiterbildungseinrichtungen. Und wo ist der Haken? Befragt nach möglichen Hürden im Zusammenhang mit der Weiterbildung, gibt gut die Hälfte der Unternehmen an, dass es keine Zeit für entsprechende Freistellungen gibt (52 Prozent). Weiterhin spielen finanzielle Aspekte eine Rolle: Vier von zehn Unternehmen (42 Prozent) sagen, Weiterbildungen seien zu teuer oder es sei nicht ausreichend Budget vorhanden. Zusammengefasst kann man feststellen: regelmäßige Weiterbildungen sind in der Wirtschaft leider keine Selbstverständlichkeit und die Ressourcen dafür sind knapp bemessen.
Weiterbildung ist somit auch eine (berufs-)politische Aufgabe, denn es fehlen finanzielle Anreize für kleine und mittlere Unternehmen, ihre Mitarbeiter in Zeiten voller Auftragsbücher für Fortbildungen freizustellen. Weiterbildung könnte beispielsweise steuerlich stärker gefördert werden, insbesondere indem der Arbeitgeberzuschuss für Weiterbildungsmaßnahmen steuerfrei gestellt wird. Darüber hinaus sollte jegliche Form von Weiterbildung für abhängig Beschäftigte und Selbstständige ohne Höchstgrenze steuerlich absetzbar sein. Solche Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden und hier ist auch ein Betätigungsfeld (nicht nur) für Berufsverbände wie den VDV bzw. dessen Dachverband ZBI. Fehlende Weiterbildung darf nicht zur Achillesferse der deutschen Wirtschaft werden.
Ich hatte mit einem Aphorismus von Brzozowski begonnen. Schließen möchte ich mit den Worten von Perikles, einem führenden Staatsmann der griechischen Antike. Dieser sagte einmal: „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein.“ Und in diesem Sinne ist das BILDUNGSWERK VDV absolut vorbildlich aufgestellt. Mein Dank gilt daher den Fachgruppenleiterinnen und -leitern, dass sie sich so aktiv und ehrenamtlich für die Zukunft unserer Kolleginnen und Kollegen einsetzen. Mein Dank gilt zugleich auch allen Referentinnen und Referenten, die viel Zeit in die Vorbereitung ihrer Vorträge investiert haben und last but not least gilt mein Dank allen Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern. Ohne euch wär‘ alles nichts!
Ad multos annos!