Es war eine aufregende Zeit 1949: gesellschaftlich wie auch wirtschaftlich und natürlich ganz besonders politisch. Die Zeit war gekennzeichnet durch die Kriegsfolgen, durch unvorstellbare Not, aber auch durch Aufbruchstimmung. Allein, in diesem Editorial soll es nicht um die Gründung der Bundesrepublik gehen, die ja in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, sondern um die kurz zuvor vollzogene Gründung des VDV, der in diesem Jahr sein 70-jähriges Jubiläum als Berufsverband für Geodäsie und Geoinformatik feiert.
Die fehlende fachliche Anerkennung der Ingenieurausbildung und die große Sorge um die berufliche Existenz waren wohl die entscheidenden Gründe, am 25. März 1949 den „Verein Deutscher Ingenieure und Techniker des Vermessungswesens (VDV)“ ins Leben zu rufen. Es waren spannende, arbeits- und erfolgreiche Jahre. Und seit der Gründung des VDV wurde stets das Beste gegeben, um das größtmögliche für diejenigen zu erreichen, die uns am wichtigsten sind – unsere Mitglieder. Großartige berufsständische Erfolge sind zu verzeichnen, sei es beispielsweise die Zulassung von FH-Absolventen zum ÖbVI, sei es die Herausgabe des VDVmagazin, der wohl anerkanntesten praxisorientierten Fachzeitschrift für Geodäsie und Geoinformation im deutschsprachigen Raum oder auch die Gründung des BILDUNGSWERK VDV. Der Verband ist damit aus kleinsten Anfängen heraus zu einem hoch geachteten und gefragten Gesprächspartner für Politik, Wirtschaft und Verwaltung gewachsen. Soweit so gut, mag der geneigte Leser bzw. die geneigte Leserin denken. Bliebe jetzt noch der große Dank an alle, die daran mitgewirkt haben und immer noch mitwirken und damit wäre es für dieses Editorial dann auch schon gewesen. Arbeit erledigt, und weiter geht’s mit dem Tagesgeschäft.
Nein, das ist eben nicht alles gewesen! Die berufsständische Notwendigkeit des VDV ist (leider) immer noch gegeben: Nach wie vor haben sehr viele der vom VDV vertretenen Kolleginnen und Kollegen ein Problem mit der Anerkennung ihrer Ausbildung bzw. der Anerkennung ihrer fachlichen Qualifikation. Nach wie vor haben FH-Absolventen im Öffentlichen Dienst schlechtere Chancen als Uni-Absolventen. Nach wie vor werden die Abschlüsse von Fachhochschulen und Universitäten unterschiedlich gewertet und das trotz gegenteiliger Beteuerungen. Nach wie vor gibt es einen eklatanten Unterschied zwischen gleichwertig und gleichartig. Von Augenhöhe kann keine Rede sein!
Es war eines der großen Versprechen der Bologna-Studienreform, als im vergangenen Jahrzehnt europaweit nahezu alle Hochschulabschlüsse in Bachelor und Master umgewandelt wurden: Künftig spiele es keine Rolle mehr, wo jemand seinen Bachelor gemacht hat, ob nun an einer Fachhochschule oder Universität. Solange er Leistung bringe, stünden ihm für den Master alle Türen offen. Allein: die Realität sieht immer noch anders aus. Und dies hat nicht nur Nachteile für die Fachhochschulen und deren Studierende, sondern bedeutet zugleich auch den Verlust von Potenzial und damit letztlich enorme Schäden für die Volkswirtschaft.
In einem Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sich kürzlich gegen ein Promotionsrecht für Fachhochschulen ausgesprochen: „Ich finde, der Unterschied zwischen Universität und Fachhochschule sollte erhalten bleiben, weil sie jeweils einen anderen Fokus haben.“ Unser Dachverband ZBI und die in ihm organisierten 50.000 Ingenieurinnen und Ingenieure finden dagegen: es sollte in der heutigen Zeit nicht mehr um Statusdenken gehen, sondern endlich um die konkrete Umsetzung der Bologna-Erklärung und damit um die Anerkennung der sehr hohen Qualität der Lehre und Forschung an Fachhochschulen. Vor 51 Jahren wurde das berühmte Transparent „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ enthüllt. Zugegeben, dieser Vergleich hinkt etwas und die Zielsetzung war damals eine völlig andere. Gleichwohl: das Festhalten an absolut nicht zeitgemäßem und ideologisch begründetem Statusdenken sollte allmählich überdacht werden. Deutschland hat andere Probleme! Am Ende ist es wahrscheinlich weniger eine juristische bzw. bildungspolitische, denn eine wirtschaftspolitische Bewertung. Die Anerkennung und Wertschätzung von bestimmten Bildungsbiographien ist es jedenfalls nicht.
Einer meiner Vorgänger hat einmal gesagt: „Würde es den VDV nicht schon geben, dann müssten wir ihn heute gründen.“ Wie wahr!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches neues Jahr. Sie können sicher sein, dass der VDV seinen Teil dazu beitragen wird.