Viele Themen aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD betreffen auch die berufsständische Politik der Ingenieurverbände. Grund genug für mich, in meiner Eigenschaft als ZBI- und VDV-Präsident die verschiedenen Themenkomplexe direkt im Bundestag mit den Abgeordneten zu erörtern.
In einem wahren Gesprächsmarathon ging es am 15. und 16. März in sechs sehr detaillierten Gesprächen inhaltlich um die digitale Zukunft in all ihren Facetten: von der Bildung bis zum schnellen Internet, von der Infrastruktur und Mobilität über die Energiepolitik bis zum Datenschutz. Nachfolgend in einer stark verkürzten Kurzfassung die wesentlichen Inhalte der Beratungen:
Gespräch mit Paul Ziemiak (CDU), Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der EU und Vorsitzender der Jungen Union.
Deutschland braucht eine digitale Zukunft
Industrie 4.0 benötigt eine flächendeckende Breitbandversorgung mit hoher Bitrate im Gigabereich. Nur die Glasfasertechnik kann diese hohe Übertragungsgeschwindigkeit realisieren. Der ZBI unterstützt die Absicht der Bundesregierung, Gigabitnetze in Deutschland bis zum Jahr 2025 auszubauen. Der Ausbau von 5G-Funknetzen sollte nach Auffassung des ZBI eng mit einem Glasfaserausbau verbunden werden, denn für die zum Teil sehr kleinen Funkzellen wird eine leistungsfähige Backhaul-Infrastruktur benötigt, um die Datenmengen zu transportieren. Auch sind weitere ordnungspolitische Regelungen erforderlich. Beispielsweise müssen die Planungs- und Bauphasen auf gesetzlicher Grundlage beschleunigt werden, um eine deutliche Verbesserung in der Ausbaudynamik einer Breitband-Infrastruktur in Deutschland zu erreichen. Großen Handlungsbedarf sieht der ZBI auch bei der Digitalisierung der Verwaltung: Über lange Jahre lang haben Bund, Länder, Landkreise und Kommunen teilweise völlig unkoordiniert für die gleichen Vorgänge und Fachverfahren unterschiedliche Lösungen eingeführt. Der ZBI begrüßt das Ziel der neuen Bundesregierung, den Bürgern bis 2022 zu ermöglichen, alle dafür geeigneten Verwaltungsdienstleistungen auch online ausführen zu können.
Gespräch mit Reinhold Sendker (CDU), Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Ländliche Industrie braucht schnelles Internet
Eine komplette Ersetzung des Kupfernetzes in ein Glasfasernetz würde für Deutschland ca. 100 Mrd. € kosten. Für den Glasfaserausbau müssen daher nach Auffassung des ZBI die Erlöse aus der Vergabe der UMTS- und 5G-Lizenzen zweckgebunden bereitgestellt werden. Bei der Netzneutralität plädiert der ZBI für einen diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten, Diensten und Anwendungen für den Endnutzer des Internets. Dies bedeutet, dass für jeden Nutzer eine Teilhabe gewährleistet sein muss. Eine Diskriminierung im Netz, beispielsweise durch Verlangsamung oder Blockade darf es bei bestimmten Inhalten, Qualität, Herkunft und Zweck einer Nachricht nicht geben. Sendker befürwortete die Notwendigkeit eines weiteren verstärkten Ausbaus im ländlichen Raum: „Bis 2025 müssen möglichst flächendeckend Glasfasernetze und mit 5G hochmoderne Mobilfunknetze entstehen. So halten wir unsere heimische Wirtschaft wettbewerbsfähig.“
Gespräch mit Thomas Sattelberger (FDP), Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung u. Technikfolgenabschätzung.
Deutschland braucht digitale Kompetenz
Um die globale Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, muss in Deutschland wesentlich mehr Wert auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen in Schulen und Hochschulen gelegt werden. Technische Neuerungen in einer mehr und mehr werdenden digitalen Welt erfolgen in immer schnelleren Zyklen. Technisches Know-how muss in den Führungsetagen wieder mehr gefragt sein. Dazu braucht es qualifizierte Ingenieure. Daher ist nach Auffassung des ZBI auch die Ingenieurkompetenz zu fördern. Angehende Ingenieur-Führungskräfte müssen frühestmöglich gefördert und auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet werden, gleichsam müssen sie während ihrer Führungstätigkeit qualifiziert begleitet werden. Sattelberger legte Wert darauf, dass „technisch-naturwissenschaftliche Kompetenz und Innovation Hand in Hand gehen mit sozialer Kompetenz und SoziaIinnovation“. Deshalb müsse MINT-Bildung mit einer ganzheitlichen, personalen und sozialen Bildung verwoben sein.
Gespräch mit Johann Saathoff (SPD), Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie Ausschuss für Wirtschaft und Energie.
Energiepolitik im Fokus
Mit den bisherigen Maßnahmen und Instrumenten wird Deutschland aller
Voraussicht nach seine kurz- und langfristigen Klimaziele verfehlen, waren sich
die Gesprächspartner einig. Während der Ausbau der erneuerbaren Energien
durchaus als Erfolg bezeichnet werden kann, bleibt die Effizienzentwicklung
dagegen noch deutlich zurück: Sowohl bei Gebäuden als auch im Verkehr werden
Effizienzziele nicht erreicht. Bekanntermaßen werden im Verkehr aktuell alle
Detailziele verfehlt, sowohl emissions- wie auch energieseitig. Und auch auf
der Seite der Infrastruktur und der Rahmenbedingungen gibt es deutliche
Verzögerungen gegenüber dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung.
Dies stellt sowohl den Netzbetrieb als auch die Energiedienstleister vor
erhebliche Herausforderungen.
Aus Sicht des ZBI werden die Vorhaben der Koalition im Bereich Energie durchaus
positiv bewertet. Zwar sind die verschiedenen Energie- und Klimathemen im
Koalitionsvertrag an vielen unterschiedlichen Stellen aufgeführt, gleichwohl
werden aber viele der notwendigen Themen angesprochen. „Für eine
zielorientierte Energie- und Klimastrategie benötigen wir vermehrt attraktive
Instrumente und Anreize um relevante und spürbare Veränderungen im
Investitions- und Verbrauchsverhalten herbeizuführen“, so mein Statement. Mit
der Fokussierung auf die Investitionsförderung bleibe der Koalitionsvertrag
daher noch hinter dem erforderlichen Handlungsbedarf zurück. Positiv bewerten
die im ZBI zusammengeschlossenen Verbände die Absicht, die energetische
Gebäudesanierung steuerlich zu fördern. Von diesem Instrument werde seitens des
ZBI tendenziell viel erwartet, insbesondere bezüglich der Planungssicherheit
bei allen Umsetzern.
Gespräch mit Hans-Jürgen Thies (CDU), stellv. Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau u. Reaktorsicherheit sowie Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.
Personenbezogene Daten brauchen Schutz
Die rasch fortschreitende digitale Vernetzung zwischen Mensch und Maschinen erfordert eine höhere Sensibilität für den Datenschutz und die Datensicherheit. Der Schutz der individuellen Selbstbestimmung des Einzelnen ist zu gewährleisten. Nach Auffassung des ZBI ist eine starke Aufmerksamkeit für den Datenschutz in Unternehmen, Verwaltungen, aber auch im privaten Bereich daher unabdingbar. Das künftige einheitliche Datenschutzrecht innerhalb der EU stärkt die Rechte der Nutzer durch neue Transparenz- und Informationspflichten der datenverarbeitenden Unternehmen. Der ZBI begrüßt die Pflicht zur Datenschutz-Folgenabschätzung bei besonderen Risiken für die erhobenen Daten, beispielsweise durch die Einführung neuer Technologien. Gleichwohl waren sich Thies und ZBI aber auch darüber einig, dass die Implementierung der neuen Datenschutzgrundverordnung zu einem großen Verwaltungsaufwand für kleine Unternehmen führt.
Gespräch mit Mathias Stein (SPD), Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, stellv. Mitglied im Finanzausschuss.
Infrastruktur und Mobilität
Die Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben, sei es Verkehrs-, Energie- oder digitale Infrastruktur, ist die Grundvoraussetzung für die Sicherung jeglicher Mobilität. Hierfür müssen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Allerding bedarf es nicht nur technischer Kapazitäten und Entwicklungen, sondern insbesondere auch personeller Ressourcen. „Wir brauchen einen echten Aufbruch für eine moderne Infrastruktur: von einer besseren personellen Ausstattung staatlicher Infrastrukturverwaltungen über Bildungsinitiativen für Bauberufe bis hin zur Planungsbeschleunigung und -vereinfachung – und das alles, ohne Umwelt- und Beteiligungsrechte auszuhebeln“, betonte Mathias Stein. Darüber hinaus geht es um die möglichst schnelle Einführung einer sauberen Mobilität. Mein Statement: „Deutschland braucht eine moderne, saubere, und auch bezahlbare Mobilität, um die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, wie den demografischen Wandel, die Urbanisierung oder auch die Anbindung ländlicher Räume zu meistern.“ Zu den positiven Ergebnissen des Koalitionsvertrages zählt für den ZBI, dass das Investitionsniveau in die Verkehrsinfrastruktur mindestens auf dem aktuellen Niveau fortgeführt werden soll. Auch das vorgesehene Planungs- und Baubeschleunigungsgesetz ist aus Sicht des ZBI ein wichtiger Impuls.
Über den ZBI:
Der Zentralverband der Ingenieurvereine (ZBI) e.V. ist ein Spitzenverband im Bereich des Ingenieurwesens. Zu seinen Mitgliedern gehören Organisationen, die sich mit dem Ingenieurwesen befassen. Von seinem Sitz in Berlin bündelt der ZBI als Dachverband die gemeinsamen berufsständischen und wirtschaftlichen Interessen und Belange seiner Mitgliedsverbände und vertritt sie gegenüber Politik und Gesellschaft. So nimmt der Verband Einfluss auf die Gesetzgebung von Bund und Ländern und pflegt hierzu seine fachlichen und direkten Kontakte zu Politikern aller Parteien.
Aktuell profitieren rund 50.000 Ingenieure in den einzelnen Mitgliedsverbänden von den Leistungen des ZBI und seiner Reputation in Politik und Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung. Für die Mitglieder in den freien Berufen der Branche ist außerdem das Engagement des ZBI hinsichtlich einer angemessenen Honorierung der Architekten und Ingenieure und den Schutz ihrer Berufsausübung von großem Wert.
Der ZBI hält seine Mitglieder stets über aktuelle Veränderungen in der Gesetzgebung und Neuigkeiten der Branche auf dem Laufenden. Regelmäßige Pressemitteilungen, die Internetseite sowie die Social-Media-Kanäle des ZBI informieren ausführlich über aktuelle Themen und in der viermal jährlich erscheinenden Zeitschrift „ZBI-Nachrichten“ berichten wichtige Meinungsführer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu aktuellen Aspekten des Ingenieurwesens.
Weitere Infos unter www.zbi-berlin.de