Von vielen Trendthemen der Zeit ragt aktuell keines so heraus, wie das Megathema „Digitale Transformation“. Allseits anerkannt ist zwischenzeitlich, dass der digitale Wandel sich nicht nur auf technische Systeme erstreckt, sondern in besonderem Maße auch digitale Kompetenzen und neuartige Arbeitsweisen erfordert. Was aber bedeutet die Digitalisierung für Berufsverbände? Was ändert sich im Umgang mit den Zielgruppen der Verbände Und: wie können Verbände notwendige Change Prozesse umsetzen?
Zunächst einmal sind Verbände zumeist historisch gewachsen und verfügen durchweg über eingeschliffene und nicht immer leicht zu verändernde Verfahrenswege. Dieser Effekt kann sich verstärken, wenn demografisch gewachsene Strukturen neuen Anforderungen und Methoden skeptisch gegenüberstehen. Will ein Verband sich aber zukunftsgerichtet aufstellen, so ist eine Auseinandersetzung mit diesem Themenfeld unumgänglich. Digitalisierung bedeutet eben nicht nur in den Social Media präsent zu sein oder eine mobile Webseite zu entwickeln, sondern wesentlich mehr.
„Nur der sich die Gegenwart auch anders vorstellen kann als die existierende, verfügt über Zukunft“, sagte einst Theodor W. Adorno und Recht hatte er! Für die Führungskräfte in den Verbänden bedeutet dies, dass sie nicht nur den Status quo verwalten, sondern vielmehr eine langfristige Zukunftsfähigkeit für den Berufsstand entwickeln und gewährleisten sollten. Und wer damit anfangen will, muss konsequenterweise eine Strategie und eine adäquate, anerkannte Zielvorgabe definieren. Dass in diesem Kontext einseitige, zum Teil auch plakative, Ansichten (intern wie extern) wenig zielführend sind, sondern stattdessen auf konsensuale, von allen Beteiligten getragene, Prozesse Wert gelegt werden sollte, ist immanent.
Um den Transformationsprozess in Gang zu setzen, sollte zunächst der Ist-Zustand, z.B. der institutionelle Rahmen, analysiert werden. Innovation ist nicht nur etwas technologisches, sondern betrifft immer auch die gesamte Bandbreite aller Prozesse in und um den Verband. Hierzu zählt beispielsweise auch die Möglichkeit, sich unabhängig von Wohnort, Familien- und Arbeitssituation aktiv am Verbandsleben zu beteiligen, also hin zu mehr digitaler Partizipation, Vernetzung und Dialog.
Tatsächlich werden die Möglichkeiten der Digitalisierung unsere Verbände dramatisch verändern – unsere Strategien, Prozesse, Strukturen und auch unsere Verbandskulturen. Die digitale Transformation ist mithin für Verbände durchaus ein radikaler Strukturwandel – ein Wandel, der in einigen Themenfeldern vielleicht sogar gemeinsam, d.h. verbandsübergreifend, realisiert werden könnte. Die Herausforderungen sind groß, die sich bietenden Chancen aber ungleich größer. Beispielhaft sei die Bildung genannt: Hier wäre statt einer „starren Wertschöpfung“ durchaus eine „vernetzte Wertschöpfung“ denkbar, um so die Pluralität aller Verbände sinnstiftend für alle nutzbar zu machen. Aber auch auf fachlicher Ebene könnten Verbände ihre Kompetenzen im Sinne einer Digitalisierungsstrategie vernetzen. Beispielsweise wäre beim Thema BIM eine gemeinsame Strategie denkbar und vorteilhaft – auch unter konkreter Berücksichtigung berechtigter, konkurrierender Einzelinteressen der Verbände.
Ich denke, dass es hier durchaus Diskussionsbedarf gibt, bin mir aber gleichzeitig sicher, dass wir die richtigen Themen im Fokus haben. Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat formuliert: „Wandel ist nicht sinnlose Beschleunigung, sondern ein zunehmendes Gestaltungsbewusstsein über die Welt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.