Sie sind die MacGyvers unserer Zeit: Ingenieurinnen und Ingenieure. Wer sich für eine Zukunft in dieser Berufsgruppe entscheidet, hat, um es einmal sehr plakativ auszudrücken, Chancen ohne Ende. Dies gilt für fast jeden Bereich, sei es im Bauwesen, in der Automatisierungstechnik, der Energietechnik, oder auch im Business Continuity Management. Letzteres kommt wahrscheinlich dem MacGyver-Image am nächsten, geht es doch darum, als Notfallmanager in Krisensituationen – wie beispielsweise einer Pandemie oder technischen Unglücksfällen – dafür zu sorgen, dass die Handlungsfähigkeit der Einrichtung oder des Betriebes erhalten bleibt.
Warum aber gibt es dann immer noch einen eklatanten Fachkräftemangel im Ingenieurbereich? Schreckt die Mathematik im Studium? Und wenn ja, wo sind wir dann in der Bildung falsch abgebogen? Jedes Kind spielt doch gerne mit Lego, einem Spielzeug, das technisches Verständnis und Kreativität fördert. Die Voraussetzungen erscheinen also doch eigentlich recht gut. Und dennoch: trotz zahlreicher Maßnahmen, angefangen bei MINT-Initiativen in Kindergärten und Schulen, über Recruiting- und Karrieremessen, bis hin zu groß angelegten Markenkampagnen ist der Ingenieurmangel allenthalben spürbar, sind die Studiengänge im Ingenieurwesen meist nicht ausgelastet. Und das, obwohl sich Ingenieurinnen und Ingenieure mit den Megathemen unserer Zeit befassen, wie Klima und Umwelt, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.
Deutschland ist eine Industrienation, die maßgeblich auf der Leistung von Ingenieurinnen und Ingenieuren beruht. Das gilt es mindestens zu erhalten, besser noch auszubauen. Aber: schon jetzt kann die deutsche Wirtschaft zahlreiche Stellen nicht besetzen. Für den mittel- und langfristigen Erfolg der Unternehmen ist das ein kaum lösbares Problem. Gerade die innovativsten Branchen benötigen, insbesondere auch mit Blick auf den globalen Wettbewerb, qualifizierten technischen Sachverstand. Laut der jüngsten OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2019“ entscheiden sich immer noch weniger als 15 Prozent der Anfänger in Bachelorstudiengängen für das Ingenieurwesen und weniger als 5 Prozent für Informatik und Kommunikationstechnologien – obwohl diese Fächergruppen am häufigsten mit technologischem Fortschritt assoziiert werden und die besten Arbeitsmarktchancen bieten. Die vielen von den Ingenieurverbänden, Kammern und Unternehmen initiierten Nachwuchskampagnen sind deshalb zwar wichtige und richtige Schritte zur Lösung dieses Problems, allein, es ist, beispielsweise vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, zusätzlich ein strukturelles Problem, das somit auch seitens der Politik steuernde Rahmenbedingungen dringend erforderlich macht. Der in diesem Kontext anzustoßende strategieorientierte gesellschaftliche Diskurs betrifft viele Themenbereiche, angefangen bei der Bildungspolitik – Stichwort: verbindlicher Technikunterricht in Schulen – bis hin zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, beispielsweise Zuwanderung ausländischer Fachkräfte, um nur zwei Komplexe zu nennen.
In den vergangenen Monaten war infolge der Corona-Pandemie viel über systemrelevante Berufe zu lesen. Ingenieurinnen und Ingenieure wurden in diesem Zusammenhang kaum genannt. Sie gehören meines Erachtens aber definitiv dazu, denn ohne ihre Expertise gibt es keine Lösung der anstehenden Zukunftsprobleme, meint
Ihr
Wilfried Grunau